Das süße Versprechen

Ein Donut der eine 5%ige zusätzliche Füllung verabreicht bekommt

Haben Sie sich auch schon gefragt warum Ihre Preise um 5% steigen, wenn Sie Dienstleister X beauftragen würden? Und warum es sich bei Dienstleister Y so überraschend ähnlich verhalten soll?

Statistik kann täuschen, aber Entscheidungen müssen klar und fundiert sein. Dieser Artikel zeigt, wie Sie Werbeversprechen kritisch hinterfragen, die richtigen Fragen stellen und digitale Werkzeuge strategisch einsetzen, ohne leere Versprechungen zu kaufen​.

Warum der Influencer immer 100.000 Follower hat und die Anzeige täglich 10.000 mal gesehen wird wissen wir ja schon. Aber wenn wir über Preise oder Umsätze sprechen, vor allem im Jahresvergleich, überraschen runden Prozente doch etwas – schließlich ist unsere Umsatzrentabilität auch nicht so ziemlich genau 5%. Ich kann aus eigener Erfahrung von Budgets berichten die um 3,2% übertroffen wurden, von realisierten Kosteneinsparungen in Höhe von €76.000, und von um 0.1 Punkte gestiegenen review scores.

Wenn es um den Unternehmenserfolg geht, ist leichtfertige Werbung nicht angebracht, sondern objektive und differenzierte Betrachtung. Die Aufgabe, täglich aus unserer mit operativen Kennzahlen, kurzfristigen Marktdynamiken, mittelfristigen Rahmenbedingungen und langfristigen Trends gefüllten Glaskugel abzulesen ob unser Betrieb auch morgen noch erfolgreich sein wird ist bestenfalls herausfordernd – auf Ablenkung oder Irreführung durch simplifizierende Verheißungen darf getrost verzichtet werden. Die Crux dabei ist allerdings:

Wir können es uns im Sinne der Zukunftsfähigkeit unserer Betriebe nicht leisten, diesen Verkaufstalenten die Türe vor der Nase zuzuschlagen.

Alles Lüge?

Erinnert Sie das nicht auch irgendwie an das herrliche Buch aus dem Jahr 1991, „So lügt man mit Statistik“ von Professor Walter Krämer? Selbstverständlich ist jeder veröffentlichte Wert absolut akkurat und faktisch korrekt, äußerstenfalls ist er „der Lesbarkeit wegen“ kaufmännisch gerundet worden. Trotzdem verleiten sie dazu, die Botschaft in einer ganz speziellen Weise zu verstehen – bewusst, oder besser noch unbewusst. Hier werden subtile Methoden der Werbung eingesetzt in einem Bereich, der praktisch keine Toleranz für Fehlinterpretationen zulässt, hängt doch die Zukunft von Betrieben davon ab.

Sie finden ich übertreibe? Ich gebe zu dass die Nutzungskosten einer einzelnen Software nicht den Ausschlag beim Betriebsergebnis machen, auch wenn ich selbst diese Euros nur ungern suboptimal eingesetzt wissen möchte. Die tatsächlich signifikante Auswirkung ist jedoch, dass eine Unternehmensführung den Eindruck bekommen könnte dass sie alle notwendigen Maßnahmen in einem bestimmten zentralen Bereich bereits ergriffen hätte, indem sie einfach eine Software aktiviert oder die Verantwortung auslagert.

Ich beobachte in der letzten Zeit einen Subtrend, der prinzipiell begrüßenswert wäre. Da Werbestrategien kurzlebig sind weil die erfolgreichen gerne kopiert werden, gehen die Werber zunehmend von plakativ-einfachen „Steigern Sie mit uns {hier beliebige Kennzahl einsetzen} um 5%“ ab und kommunizieren Mini-Fallstudien die „beweisen“ dass mit ihnen die beliebige Kennzahl um soundsoviele Prozente gesteigert wird. Möglichst noch ergänzt um eine „Kundenstimme“ um einen noch vertrauenswürdigeren Eindruck zu erwecken. Trotzdem bleibt es beim selben Prinzip, nur mit etwas mehr Aufwand betrieben. Ich darf Thibault Catalas sarkastischen Beitrag zitieren, „gewinnen fühlt sich noch besser an wenn du die Torstangen versetzt hast“. Ja, die meisten dieser Systeme sind grundsätzlich gut, können jetzt schon einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten und werden unumgänglich sobald sie von den Mitbewerbern flächendeckend eingesetzt werden. Trotzdem feiern sich die Anbieter mit Toren bei nicht ganz zweifelsfrei stehenden Torstangen, oder eben mit Statistiken die sie selbst… sagen wir, dargestellt haben.

Realitätscheck

Um die Spreu vom Weizen zu trennen, können Sie zum Beispiel diese Fragen im Verkaufsgespräch stellen:

Selbst wenn Ihnen der Verkäufer nicht auf jede Frage eine konkrete Antwort geben kann, erkennen Sie an der Art der Behandlung Ihrer Frage ob Sie es mit einem ehrlichen, fachkundigen Produktrepräsentanten zu tun haben oder mit einem provisionsgetriebenen Unterschriftenjäger. Alleine durch gezieltes Nachfragen schaffen Sie bereits eine qualitativ andere Basis für die weitere Verhandlung.

Effizienz prüfen

Aus den vielen Beispielen eines herausgegriffen, das mein Auge heute auf LinkedIn festhalten konnte: 

Mein Gehirn wurde vom Auge darüber unterrichtet, dass der Anbieter einem echten Kunden zu ✅ 10% höherer Rate verholfen hat. Schon hat er meine Aufmerksamkeit! Aber mein Gehirn ist misstrauisch, also lese ich weiter – eigentlich in der Erwartung, in der nächsten Sekunde bereits eine Schwindelei aufzudecken – und stelle fest dass nicht nur die Rate gesteigert, sondern auch der ✅ Umsatz um 334.000 Pfund gewachsen ist. Respekt! Allein den Umsatz durch Ratenerhöhung zu halten (bei weniger Belegung = weniger Kosten) wäre schon profitabel, aber hier konnte man sogar mehr Umsatz erwirtschaften! Wäre ich  ein leichtfertiger Hotelier, würde ich bereits nachdenken dort ebenfalls Kunde zu werden.

Selbstverständlich bin ich weder Hotelier noch (hoffentlich) leichtfertig, aber meine Aufmerksamkeit wurde erfolgreich geweckt, also bleibe ich noch ein paar Sekunden länger auf dem Post und lese genau. Es ist einer diese Momente, in denen ich mir an den Kopf greife: Es steht doch in der ersten Zeile. Vor aller Augen verborgen steht dort ganz klar, dass der Bau zusätzlicher Zimmer diese „Gelegenheit geschaffen“ habe. Möchte man sich wirklich noch weiter damit befassen, lernt man aus dem restlichen Text noch dass dieser Kundenbetrieb die Beherbergung bis dato nur nebenbei betrieben hatte, jetzt den Fokus und seine räumlichen Ressourcen von verlustbringender Bewirtung auf Beherbergung verschoben hat, und generell keine Ahnung vom Zimmerverkauf hatte. Wenn es dem Anbieter also nicht gelungen wäre, mit den zusätzlichen Zimmern und etwas know how den Umsatz zum (wahrscheinlich negativen) Vorjahresergebnis zu erhöhen, wäre das fast kriminell.

Da ich laufend weitere Beispiele sammle, habe ich diese ans Ende des Artikels verbannt, quasi nur für den sehr interessierten Leser – oder denjenigen der verifizieren möchte, ob ich hier über Ausnahmeerscheinungen schwadronieren oder tatsächlich häufig auftretende Fälle.

Zwänge hinterfragen

Ich habe eingangs gesagt dass Softwares oder Dienstleister nichtsdestotrotz notwendig sind, wenn wir den Erfolg unserer Unternehmen sicher wollen. Die kontinuierliche Weiterentwicklung, die Ausnutzung vielfältiger, auch neuer, Möglichkeiten ist der einzige Zwang, dem wir uns dabei unterwerfen sollten – nicht dem Reflex des Klicks oder gar der Vertragsunterschrift. Lehnen wir jede an uns herangetragene Idee rundheraus ab, weil uns unsere Erfahrung gelehrt hat Werbung zu mißtrauen, verbauen wir uns aber potentiell erfolgreiche neue Wege und bleiben hinter dem Mitbewerb zurück. Es geht nicht darum immer sofort die richtige Entscheidung zu treffen, sondern seine Entscheidungen anhand der Ergebnisse zu evaluieren und zu hinterfragen, kritisch zu prüfen, und zuzulassen dass nicht jedes Experiment erfolgreich sein kann. Wer Fehlschläge gründlich analysiert, angefangen bei den Beweggründen und Erwartungen bis hin zur laufenden Umsetzung, und laufend neugierig bleibt, wird am Ende einen Vorsprung haben vor jenen, die entweder nichts versuchen, oder an ihren falschen Entscheidungen zwanghaft festhalten um nicht die eigenen Fehlbarkeit eingestehen zu müssen.

Vorteile nützen

Nützen Sie die Vorteile moderner Softwares und künstlicher Intelligenz unbedingt! Übertragen Sie ihnen jedoch keine Verantwortung. Fragen Sie sich auch, warum anerkannte und erfolgreiche Strategieberater keine marktschreierische Werbung machen, keine Versprechungen postulieren und schon garnicht Daten anderer Kunden nennen: Weil jeder Fall individuell ist. Diese Experten wissen das, und sind so seriös nichts zu versprechen das sie nicht zu 100% auch in Ihrem Fall halten können.

Und weil es nicht nur der Idee, sondern auch der laufenden Umsetzung und Kontrolle bedarf, über den Kauf einer Software oder das Ende einer Beratung hinaus, wird ein seriöser Berater Ihnen auch nicht die Verantwortung für Ihren Betriebserfolg abnehmen. Ebenso kann man die Verantwortung nicht einfach einer Software übertragen, sei diese auch noch so künstlich intelligent. Nützen Sie die beste Beratung die Sie bekommen können um sich die bestmöglichen digitalen Werkzeuge auszuwählen – die auch wirtschaftlich verhältnismäßig und für den geplanten Einsatz sinnvoll sind.

Nützen Sie Beratung auch um Wissen in Ihren Betrieb zu transferieren und Ihr Team auf die nächste Ebene zu heben. Durch den Aufbau Ihrer Mitarbeiter zu Spezialisten und Führungskräften und die Ausstattung mit den passenden unterstützenden Werkzeugen gewinnen Sie als Unternehmer die Zeit um regelmäßig einen Schritt zurückgehen zu können und die Richtung, in die Ihr Betrieb geht, zu kontrollieren und bei Bedarf rechtzeitig korrigierend einzugreifen.

Wieviel Zeit Sie tatsächlich gewinnen, kann ich Ihnen allerdings nicht sagen. Es könnten natürlich rund 5% sein.

Individuell entscheiden

Ein „tech stack“, also eine aufeinander abgestimmte und die Bedürfnisse des Betriebs optimal erfüllende Systemlandschaft, zu planen ist eine äußerst individuelle und eine sehr zeitintensive Aufgabe. Ebenso erfordert es viel Vorarbeit und das frühzeitige Erarbeiten der zukünftigen Prozesse, die für jedes Hotel sehr unterschiedlich ausfallen können. Planen Sie daher möglichst mittelfristig, rund ein Jahr, im Voraus und investieren Sie die nötige Zeit in Recherche und Auswahlprozesse. Und lassen Sie sich nicht von „meist gekauft“ leiten sondern suchen Sie die für Ihr Haus optimale Lösung. 

Bewusst umsetzen

Dass der Tag der Unternehmer auch nur 24 Stunden hat ist mir bewusst. Die Entscheidung über Preisgestaltung, Vertrieb oder Marketing komplett und unkontrolliert in die Verantwortung eines Werkzeugs zu übergeben werden Ihnen seriöse Partner jedoch keinesfalls raten. Wer sich auf „Fünf-Prozent-Wunder“ verlässt, verzichtet auf den nachhaltigen Erfolg, den nur eine konsequente Weiterentwicklung der eigenen Strategie bringen kann.

Profitipp: Auf der Suche nach passenden Softwarelösungen können Informationsquellen aus Ihrem Netzwerk und vor allem dem Ihrer erfahrenen Mitarbeiter Gold wert sein.

Beispiele für den interessierten Leser

Alleine an einem Tag habe ich zwei „Newsletter“ von bekannten und qualitativ hochwertigen Hotels in meiner Region erhalten. Mittlerweile könnte ich deren Texte und Aufbau fast schon vorhersagen, wenn ich nur den Absender lese. Beide sind eigentlich nicht einmal „Newsletter“ da sie mich nicht über relevante Neuigkeiten informieren, sondern lediglich den Namen des Hotels in mein Konsumentengedächtnis zementieren oder eine Spontanbuchung auslösen sollen. In beiden Fällen fehlt jeglicher „Content“ (informativer oder unterhaltsamer, nicht ausschließlich produktwerbender Inhalt), und selbst die für diese Aussendung so kreativ gestalteten Sonderangebote (EUR 10 Gutschein zu jedem EUR 100 Wertgutschein der eine, 4=3 Nächte der andere… gültig für alle linkshändigen Rotschöpfe die innerhalb einer Stunde per Brieftaube reservieren) finden sich erst an zweiter oder an letzter Stelle. Auch diese Newsletter haben Geld gekostet – egal ob man eine „KI gestützte“ Software oder eine „erfahrene“ Agentur damit beauftragt hat. Auf mich zumindest haben sie überhaupt keine Wirkung, zumal eben nicht nur der Versand sondern auch der Inhalt von schöner Regelmäßigkeit gekennzeichnet ist.

Und noch ein eher tragisches Beispiel, das unterstreicht wie zuerst mit „Statistik“ geworben wird und es dann aber alleine schon an der Umsetzung hapert. In einem Onlineformat eines vertrauenswürdigen Softwareanbieters hat ein Anwender über seine Erfahrungen mit einer Drittsoftware berichtet, in Doppelconference mit deren Entwickler. Die Drittsoftware ist eine innovative Lösung, die ich selbst auch guten Gewissens bestimmten Betrieben empfehlen kann. Was mir sauer aufstößt ist dass nicht die innovative Idee selbst, sondern der angeblich messbare Erfolg im Mittelpunkt der Argumentation stand, die dann doch eher an eine Verkaufsfahrt erinnerte. Konkret wurde nur eine Zahl genannt: Über „2 bis 3 Jahre“ ist der Umsatz mit Direktbuchungen um 20% gestiegen. Klingt gut. Ist es auch. Und die Aussage ist faktisch sicher korrekt.

Was wir nicht wissen ist jedoch maßgeblich dafür diese Aussage und deren Relevanz objektiv beurteilen zu können. Selbst ohne wissenschaftliche Maßstäbe anzulegen und nach der statistischen Signifikanz zu fragen würde mich interessieren, ob alle Betriebe des Anwenders diese Anstiege verzeichnen, ob beim Mitbewerb der diese Lösung nicht verwendet ein ähnlicher Trend zu beobachten ist, und ob auch andere Kanäle einen Anstieg erlebt haben. Dann sollte klar sein ob „Direktbuchungen“ nur Buchungen über den Kanal meint, der durch die implementierte Lösung verbessert wurde, oder ob hier alles in einen Topf geworfen wird. Es ist nicht bekannt welche anderen Maßnahmen im Beobachtungszeitraum ergriffen wurden – von SEO und SEA über Website-Redesign bis klassische Analogkampagnen oder Aktionen der Tourismusverbände. Und zuletzt noch ganz „schnödes“ Zahlenmaterial: Verstehen sich die 20% inflationsbereinigt (bei 2 Jahren wären das 9,21%)? Wurden ausschließlich vollständige Geschäftsjahre derselben Betriebe verglichen (der Anwender hatte in dieser Zeit mehrere Neueröffnungen)? Ist der Anstieg absolut  auf den Umsatz aus dem Vergleichsjahr oder relativ auf die Veränderung im Segmentmix bezogen? Und wie haben sich Gesamtumsatz und Gewinn verändert?

Wir hören – gerade von Softwareanbietern! – andauernd dass Hoteliers die Fülle an Daten nützen müssen, dass Entscheidungen datenbasiert zu treffen sind, dass gerade KI-gestützte Software uns den Zugang zum Gold in den Daten eröffnet. In krassem Widerspruch dazu stehen plakativ hingeworfene Deltawerte ohne jeglichen (Daten-)Kontext.

Die Krönung war dann der Selbstversuch. Ich habe umgehend die Website eines Betriebs dieses Anwenders besucht um mir mein hyperpersonalisiertes Angebot zu holen. Leider nicht erfolgreich, denn das System konnte keine meinen Ansprüchen genügenden Angebote finden – obwohl ich diese in mehreren Schritten reduziert habe bis schließlich nurmehr der bescheidene Wunsch nach einer höheren Etage übrigen blieb. Kürzlich habe ich in der Außenkommunikation eines anderen Anbieters gelesen dass er (nicht exakt quantifizierten) Erfolg verspricht wenn „die Schritte vollständig befolgt“ würden: Vielleicht hätte dieser Zusatz auch hier seine Berechtigung gehabt, zum Beispiel „unsere Lösung für Hyperpersonalisierung funktioniert nur, wenn Sie unserer Software die Attribute der Zimmer verraten“… 

Quelle: Buchungsseite eines Hotels