Der Glaubenskrieg

Hund und Katze im Kampf um die Dominanz über eine Futterschüssel, die ein Hotel symbolisiert

Sie könnten ein unschlagbares Team sein. Zwei Pole die sich ergänzen, im Gleichgewicht halten, gegenseitig fordern. Erfolgreich für den Betrieb, erfüllend für sich selbst. Doch die Realität ist vielerorts anders: eine dieser Symbiosen, in denen beide oft mehr leiden als leben. Ähnlich der altbekannten „Liebe“ von Küche und Service. Das Spannungsverhältnis zwischen Sales & Marketing und Revenue & Capacity – im Folgenden liebevoll „Sam“ und „Rev“ genannt.

Kleine Einbußen? Selten spüren Gäste deutlich, wenn es hinter den Kulissen kracht. Auch der heißeste Teller findet zum Gast, und sei es nur um der Küche zu zeigen dass sich ein wahrer Oberkellner nicht unterkriegen lässt. Ebenso finden Sonderaktionen wie Kongresspreise auf den Markt.

Doch in einem herausfordernden Markt ist der Grat zwischen Erfolg und Niederlage schmal, und die Summe vieler kleiner Ineffizienzen kann den Unterschied machen. Während man uns vorrechnet, wieviel „mehr Zeit für unsere Gäste“ wir durch „Künstliche Intelligenz“ gewinnen können, merken wir nicht wie sich der Einsatz hoch bezahlter Experten oft nicht rentiert. Wenn der Effekt in Revierkämpfen untergeht, geht der Betrieb vor die Hunde und jede weitere Anstrengung ist für die Katz’.

Es muss nicht immer der Tellerrand im Salamander sein – manchmal reicht schon eine halbgare Kommunikation, um den Erfolg zu sabotieren. Hier ein Beispiel wie schon der Preis einer Wurstsemmel sich auswirken kann, wenn – bewusst oder unbewusst – die Kommunikation nicht funktioniert:
Screenshot von einer Buchungsseite
Gefunden dieser Tage in meinem „alten Revier“, der weiß-grünen Landeshauptstadt. Örtlich nur unweit des Hauses, das ich vor einigen Jahren in diesen sehr kompetitiven Markt einführen durfte. Auch mit einem „9er“-Preis als Eröffnungsangebot. Weil das sogenannte „Charm Pricing“ eben funktioniert.

Wenn Sie übrigens glauben hier ein Beispiel von „Werbung lügt“ zu sehen darf ich Sie beruhigen: Beide angeführten Preise sind absolut korrekt. Den Unterschied macht die örtliche Nächtigungsabgabe und das ehrliche Bemühen des Anbieters um klare Preisauszeichnung. Der Effekt des „Charm Price“ ist aber dahin.

Große Wirkung! Nehmen wir an, „Rev“ musste sich zähneknirschend auf diesen Preis „herunterhandeln“ lassen. Nach diesem Opfer auf dem Altar der Werbung wäre eine weitere Reduktion um 3% unannehmbar gewesen – Scheuklappen auf, Durchzug ein, alles für die ADR*. Vielleicht kam sogar das Gefühl auf, „Sam“ irgendwie doch noch überlisten zu können.

Sam hingegen ist entnervt dass sein Vorschlag, den Markt mit einem echten Preisknaller aufzumischen, rundweg abgelehnt wurde. Er fühlt sich genauso als Verlierer wie Rev und lädt den Arbeitsauftrag resigniert bei den Grafikern ab, Haken drunter, besser los zum After Work.

Das Ergebnis ist ein lauwarmer Mittelweg mit dem beide Experten gleichsam unglücklich sind. Beide empfinden ihre Kompetenz als nicht wertgeschätzt. Eine abschließende Kontrolle ist die gefühlt halbherzige Maßnahme beiden nicht mehr wert.

*Average Daily Rate, durchschnittlicher Zimmerpreis – dessen Durchsetzung intern oft leichter ist als extern

Effizienz prüfen: Zum Beginn der Nebensaison ist dieser „Preiskracher“ viel zu leise. Rev und Sam hätten sich stattdessen darauf einigen können kein Angebot zur Eröffnung zu machen, sondern eines zum Beginn der nächsten Hochsaison. Mit einem Frühbucherangebot die höhere Frequenz nützen um bereits jetzt Sichtbarkeit generieren, als Nebeneffekt die ersten vorausbezahlten Buchungen als Grundbelegung einsammeln, und gleichzeitig den Preis 2025 testen.

Oder aber auf einen echten Preisknaller, der die wenigen buchungswilligen Individualgäste in der Saure-Gurken-Zeit komplett für dieses Haus vereinnahmt. Dabei durch Bewertungen die Reputation aufbauen, bevor es in die Saisonen geht in denen sich mit dem kurzfristigen Bucher viel Geld verdienen lässt.

Der Mitbewerb hingegen macht vor wie man sich bereits jetzt auf die später in den Markt eintretende Konkurrenz einstellt, erte Buchungen für die Nebensaison abgreift und den neuen Nachbarn gleich irgendwie alt aussehen lässt:
Angebot eines Mitbewerbers auf einem Buchungsportal
Für diesen Effekt setzt die verantwortliche Fachkraft keinen Cent für Werbung ein, nur etwas Zeit. Der rabattierte Preis, wirkungsvoll von diesem kundenorientierten Portal dargestellt, liegt nicht einmal außerhalb der preislichen Bandbreite dieses Hauses über die letzten Jahre und ist somit konsistent für den wiederkehrenden Gast (oder den interessierten Beobachter).

Zwänge hinterfragen: In manchen Fällen können äußere Zwänge bestehen, wie beispielsweise Direktiven von Eigentümern oder Finanzierern, Zentralverwaltungen oder Aufsichtsorganen. Wenn diese sich  überhaupt beeinflussen lassen besteht die Chance dazu nur im geschickten Zusammenspiel der gemeinhin als Gegenpole wahrgenommenen Abteilungen. Wenn sie – offen oder verdeckt – an einem gemeinsamen Strang ziehen.

Meistens jedoch sitzt jede Seite in einer eigenen Box. Selbst dann, wenn wie in größeren Gruppen die beiden Fachbereiche unter einer meist „Commercial Director“ genannten Leitung formell vereint sind.

Überspitzt formuliert verteidigt Rev eifersüchtig den Preisknochen während Sam jeden kleinen Spatz jagt.

Selbstverständlich hat sich der einst preisfokussierte „Yield Manager“ zum „Revenue Manager“ weiterentwickelt. Der wie eine neue Erkenntnis gefeierte „total revenue“ (der die Nebenausgaben mitzählt) steht im Vordergrund. Trotzdem spreizt sich die Mehrheit der Professionisten dagegen, gelegentlich ihren Preis in Umsatzchancen zu „investieren“.

Dem „Sales & Marketing Manager“ andererseits geht es darum, möglichst viele Menschen zu erreichen. Entweder mit künstlerischer oder mit kommunikativer Ader – in beiden Fällen zählt die Reichweite. Messbar in echten Interaktionen, bestenfalls in Auslastung. Und das manchmal sprichwörtlich „um jeden Preis“.

Dazu kommt dass in den jeweiligen Lagern sehr unterschiedliche Menschentypen zu finden sind. Während die eine Seite von den kühlen, analytischen Köpfen dominiert wird – die, wie der Verfasser selbst auch, sich nicht immer durch soziale Kompetenz hervortun – tummeln sich kreative, impulsive Naturen auf der anderen – gerne mit dem Herz auf der Zunge.

Vorteile nützen: Finden sich zwei dieser unterschiedlichen Personen richtig zusammen, oder werden sie von einem fähigen „Commercial Director“ zu einem schlagkräftigen Team geformt, kann Großartiges entstehen. Selbst gelegentliche, kleine Eitelkeiten des jeweiligen „Berufsstands“ können noch Platz haben wenn man sich selbst und einander nicht immer bitter ernst nimmt. Sie können sogar anspornen, wenn ein grundlegendes gemeinsames Selbstverständnis herrscht über Ziele der Organisation und den individuellen Beitrag. Die Summe zweier Experten kann ein mehrstelliger Jahresgewinn sein, da sich die Pole ergänzen statt abstoßen, ihre individuellen Stärken entfalten statt verteidigen, die Aufgaben optimal verteilen statt abzugrenzen, und ihre Erfolge gemeinsam feiern.

Was wäre, wenn Rev und Sam so wie ein geschätzter ehemaliger Kollege und ich zusammengearbeitet könnten? Nach anfangs durchaus skeptischem Herantasten hatte uns zuerst die Mission einer Neueröffnung vereint, dann den Weg zu einer erfolgreichen partnerschaftlichen Tätigkeit geebnet. An dieser Stelle darf ich Phillip Kölbl, der sein herausragendes Verkaufstalent seit einiger Zeit in einer anderen Branche einsetzt, nochmals Danke sagen – nicht zuletzt dafür, dass er mir gezeigt hat dass diese Art der Zusammenarbeit sehr wohl möglich ist.

Unsere Ergebnisse waren mehr als erfolgreiche Aktionen und Abschlüsse; es war ein Beispiel dafür, dass gegenseitiges Vertrauen und abgestimmte Anstrengungen einen echten Wettbewerbsvorteil schaffen.

Individuell entscheiden: Wie immer ist jede Situation, jeder Betrieb einzigartig. Nicht alles muss überall immer sein – auch das sei Sam und Rev ans Herz gelegt. Sehen wir noch einmal zurück auf das Beispiel:

Exakt nach Ende der starken Nachfrage zu eröffnen ist eine bewundernswerte Entscheidung des  dahinterstehenden Konzerns, die ein langsames Zusammenwachsen für das operative Team ermöglicht, ausreichend Zeit bietet technische und bauliche Schwachstellen offenzulegen sowie Termin- und Erfolgsdruck von der operativen Leitung nimmt. Hier wird bewusst kurzfristiger Umsatz in weitreichende Nachhaltigkeit „investiert“.

So gesehen ist die ungewollt „sanfte“ Maßnahme eigentlich im Sinne der grundlegenden Strategie. Vielleicht ist das der Beginn einer wundervollen Freundschaft? 

Profitipp: Aus Hund und Katz wird manchmal einfach kein Rudel. Setzen Sie in diesem Fall nicht auf Teambuildingmaßnahmen, sondern setzen Sie im ersten Schritt beide auf attraktive Beute an. 

Hund und Katze sitzen gemeinsam an der Hotelbar
Rev und Sam beim after work – by DALL-E