Die Glaubensfrage: cloud oder on premise?

Ein Hotel in einer Glaskugel, verbunden zu einem on premise server und einem cloud server

Es erinnert etwas an das Thema Elektromotor oder Verbrennungsmotor im Auto: Abgesehen von der Wahl des Anbieters gibt beim PMS vorwiegend zwei Möglichkeiten, und jede davon hat ihre überzeugte Anhängerschaft. Egal in welcher Variante, das PMS („property management system“) ist das Herzstück des Hotels, hier laufen die Kernfunktionen eines Beherbergungsbetriebs.

Cloud- oder serverbasierte PMS – welche Lösung ist die richtige für Ihr Hotel? Dieser Artikel beleuchtet die Vor- und Nachteile beider Optionen und gibt wertvolle Entscheidungshilfen für eine langfristige Strategie​.

Für den Hotelier ist dies eine ebenso schwierige wie zentrale Entscheidung, mit langfristiger Bedeutung. Wo also beginnen? Üblicherweise mit etwas Recherche, die schnell zu Beiträgen führt die entweder die eine oder die andere Variante argumentieren, oder geradewegs zu Produktinformationen einzelner Anbieter. Eine fundierte Beratung und Begleitung bei der Einführung eines neuen PMS ist üblicherweise der sicherste und nachhaltigste Weg – außer im Großkonzern, der gleich eigens spezialisiertes Personal dafür einstellt.

Da ich selbst eine eindeutige Meinung dazu habe, habe ich einen IT Experten, mit dem ich an einem Projekt arbeiten durfte und der ein eindeutiger Vertreter der anderen Meinung ist, nach seinen Argumenten gefragt um hier beide Seiten zu „verfechten“ zu können. Vor allem aber werfe ich am Ende einen Blick in die Zukunft.

Was bedeutet das nochmal?

Ein PMS (umgangssprachlich „Hotelprogramm“) kann man entweder auf dem eigenen Server installieren lassen, was man serverbasiert oder „on premise“ („vor Ort“) nennt, oder als Cloud-Dienst beim Anbieter laufen haben. Im Fall der lokalen Installation erwirbt man meist die Software und Lizenz und schließt zusätzlich einen Wartungsvertrag mit dem Anbieter. Der Anbieter installiert die Software auf einem Großrechner des Kunden direkt im Betrieb. Der Großteil der Kosten wird sofort bezahlt, dafür „gehört“ die Software dem Kunden. Im Fall des Cloud-Dienstes schließt man einen Nutzungsvertrag und greift vom eigenen Computer über Internetverbindung auf die Software am Großrechner des Anbieters zu. Die Inbetriebnahmedienstleistung wird sofort bezahlt, der Rest im Abo-Modell.

Welche Lösung ist besser?

Erstens kommt es auf den individuellen Betrieb, dessen Systemlandschaft und die (technische) Umgebung an. Zweitens spielen teils unvorhersehbare zukünftige Ereignisse eine große Rolle. Drittens lässt sich darüber eben auch trefflich diskutieren. Viertens klingt eine Mischung aus beiden nach einer optimalen Lösung, da aber die parallele Entwicklung unwirtschaftlich wäre ist notgedrungen eine Hybridvariante meist ein Versuch, mit möglichst geringem Aufwand aus einer in die andere Welt zu kopieren. Hybride Lösungen haben dadurch nicht das Beste, sondern das Schlechteste beider Welten. Am konkreten Beispiel eines heimischen Anbieters: Anscheinend  lässt sich sogar das Auslagern der Software vom lokalen Servers des Betriebs auf einen Server beim Anbieter schon „hybrid“ nennen. Auf hybride Systeme wird im Folgenden daher nicht weiter eingegangen. Fünftens und letztlich gilt, was auch bei Vergleichen verschiedener Systeme auf derselben Basis immer gilt: Jedes System ist nur so gut wie die Menschen, die es verwenden. Die besten technologischen Hilfsmittel können nicht die Wirkung eines engagierten und kreativen Mitarbeiters ersetzen – in dessen Hand wird das „schlechtere“ Werkzeug immer noch bessere Ergebnisse produzieren als das beste Werkzeug, wenn es widerwillig, unmotiviert und unprofessionell bedient wird und vor allem wenn es nicht in einem gastfreundlichen, serviceorientierten Umfeld integriert ist.

On premise

Die größten Vorteile: Technisch ausgereift, zuverlässig und erprobt. Teilweise anpassbar und immer direkt auf dem eigenen System, was die Reaktionszeit verringert und kein zusätzliches Datentransfervolumen erfordert.

Die Software wird zur Gänze erworben und steht praktisch ewig zur Verfügung. Für die Sicherheit der Daten im PMS können Sie jederzeit garantieren, da diese ausschließlich auf eigenen Rechnern liegen. Beeinträchtigungen der Datenleitungen oder des Systems des Anbieters legen das Programm nicht komplett lahm, eine Grundfunktion kann aufrecht erhalten werden solange das Hotel Strom hat. Art und Frequenz von regelmäßigen Sicherungen und Updates bestimmt vorwiegend der Eigentümer – bei Ausfall kann sofort auf die eigene Sicherung zugegriffen werden statt zu warten bis der Anbieter eine einspielt. Ebenso liegen die Stamm- und Systemdaten auf dem lokalen Server und können von einem qualifizierten Anwender verändert werden, das ermöglicht sogar die Übergabe der Systemwartung an einen anderen Dienstleister als den Anbieter der Software.

Betriebswirtschaftlich ist der sofortige Kauf nach wenigen Jahren bereits sinnvoller als laufende Abonnementkosten. Allerdings ist die Software zu aktivieren – stellen Sie daher wie immer Ihre individuelle Berechnung an.

Die größten Nachteile: Serverbasierte PMS haben meist ein relativ umfangreiches „back end“ – die Domäne der Programmierer und Systemadministratoren, terra inkognita für den normalen Anwender. Doch lassen sich beispielsweise viele Parametrierungen oder Schnittstellenkonfigurationen nur hier machen, und für jeden Betrieb extra. Je nach System können damit auch kleine Änderungen den teuren Einsatz von IT Fachkräften erfordern, mögliche Missverständnisse mit dem operativen „Auftraggeber“ eingeschlossen. Und um das System ordentlich zu „basieren“ benötigt man einen entsprechend leistungsfähigen Server samt Peripherie und Redundanz, die es dann zu warten und zu erhalten gilt.

Zu erwähnen ist ein Kritikpunkt der immer wieder aus der Operativen kommt, ein hoher Grad an Komplexität der einen Lernprozess über die verfügbaren Zeitressourcen hinaus erfordert. Dies der Software als Nachteil zuzuschreiben halte ich aber für fragwürdig, hier wirken sich mitunter die eigenen Baustellen in der Personalpolitik aus.

Während der Aufwand auf mehrere Jahre zu verteilen ist, belastet die Zahlung sofort die Liquidität. Dazu kommen fast immer Wartungsverträge die doch noch laufende Kosten verursachen, oft als zwingender Bestandteil des Kaufvertrags. Nichtsdestotrotz sind diese Wartungsverträge notwendig und können, sofern es keine Alternativen gibt, zu einem der größten Risiken werden.

Risiken minimieren: Wie für jedes IT System gilt dass Investition in Sicherheit, Redundanz und Service die technischen Risiken effektiv minimieren können – Schadsoftware, Datendiebstahl und -verlust, Fehlbedienung, Überlastung der Infrastruktur und Stromausfälle können abgewehrt oder abgefedert werden. Den Preis dafür sollte man zu zahlen bereit sein.

Auf das größte, erst in letzter Zeit deutlich hervortretende Risiko kann man sich jedoch nur einstellen, nicht aktiv minimieren: „sunsetting“. Die meisten großen Anbieter haben bereits beschlossen, ihre serverbasierten Softwares einzustellen und kommunizieren dies als „Ende des Produktlebenszyklus“. Das bedeutet, dass zuerst keine Weiterentwicklung an dem jeweiligen Produkt mehr stattfindet. In Folge wird der Umfang des Wartungsdienstes reduziert. Maßgeblich ist für die Möglichkeit der Weiterverwendung einerseits die allgemeine Zuverlässigkeit des Systems, andererseits in welchem Umfang der Eigentümer der Software diese selbst pflegen kann oder alternative Dienstleister dafür verfügbar sind. Wenn die personellen Ressourcen und Expertisen gesichert sind, kann eine Software auch lange nach „Sonnenuntergang“ gute Dienste leisten und Panik aufgrund missverständlicher Kommunikation ist unnötig.

Erfahrungsbericht: Ich habe Systeme der drei bedeutendsten Anbieter verwendet, und für mich klar eine „große Liebe“ gefunden. Ich habe diese Software in verschiedenen Betrieben eingesetzt und gelernt, den maximalen Nutzen aus diesem unglaublich fähigen und vielschichtigen Programm herauszuholen. Der Prozess hat allerdings Zeit in Anspruch genommen, sich über 3 verschiedene Tätigkeiten ausgedehnt und war großteils eigene Initiative.

Nur selten ist in meiner eigenen Erfahrung tatsächlich ein Systemausfall eingetreten, wenn dann allerdings eher langwierig und mit Auswirkung auf mehrere Komponenten der Systemlandschaft.

Cloud

Die größten Vorteile: Praktisch überall und sofort nutzbar, und automatisch immer am aktuellsten Stand. Für das PMS selbst muss kein Server, kein Netzwerk eingerichtet oder erweitert werden, die eigenen Kapazitäten bleiben unbelastet.

Weder die Einrichtung noch die Wartung ist orts- oder zeitabhängig und wird kaum durch ein versehentlich ausgeschaltetes Gerät verhindert. Der Dienst läuft auf redundanten Servern, also Wartungen bei laufendem System und höchste Sicherheitsstandards auf Kosten und Verantwortung des Anbieters. Benutzeroberflächen sind für Browserdarstellung optimiert und intuitiver, sowie optisch freundlicher. Manche Systeme bieten eine eigene mobile App, die sich speziell für Bereitschaftsdienste eignet, die restlichen führen zumindest Apps für die Etagenverwaltung. Mehr und flexiblere Schnittstellen zu Dritten sind möglich oder einfacher neu herzustellen, vor allem zu anderen Cloud-Diensten. Und: Es gibt keine bevorzugten Kunden mehr. Verbesserungen und Erweiterungen erhalten alle Kunden sofort. Ausfälle betreffen alle oder zumindest viele Kunden, werden also auch für alle gleichzeitig behoben – Sie warten nie wieder bis der Support erst einmal das System des Großkunden wieder hochfahren konnte.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht belastet die Verschiebung der Zahlung zu den monatlichen Gebühren die Liquidität punktuell weniger, was vor allem für kleinere Betriebe vorteilhaft ist. Finden Sie nach ein paar Jahren ein noch besseres System, können Sie Ihr Abo ordentlich kündigen und einfach wechseln da die Initialkosten niedriger waren als bei einem Lizenzkauf.

Die größten Nachteile: Einerseits die noch geringere Individualisierung – Sonderanfertigung ist praktisch ausgeschlossen – und andererseits die stärkeren Abhängigkeiten von Anbieter und Verbindung zur Außenwelt.  Ohne leistungsfähige Datenleitung, zum Beispiel im Gebirge, ist der Einsatz jeglicher Online-Dienste kaum möglich.

Betriebswirtschaftlich negativ wirkt sich das Abonnement-Modell meist nach einigen Jahren aus, wenn die kumulierten laufenden Gebühren die Einmalkosten des Lizenzkaufs übersteigen.

Die Abhängigkeiten sind zugleich die größten Risiken, denn während eine lokal installierte Software theoretisch selbst auf Notstrom und ohne Wartung durch den Anbieter rudimentär betrieben werden kann, ist ein Cloud-Dienst einfach nicht erreichbar wenn die Internetverbindung auslässt – oder der Anbieter in der Versenkung verschwindet.

Risiken minimieren: Die Nachteile lassen sich nicht wegargumentieren, die Risiken jedoch minimieren. Ein Mobilgerät mit Mobilfunkvertrag bei einem Anbieter, der nicht auch Ihr ISP ist, hält Ihren Betrieb aufrecht solange nicht ein black out auch Mobilfunk und Cloud-PMS lahmlegt. Wenn Sie einen der größeren, internationalen PMS Anbieter wählen verringern Sie das Risiko dass dieser durch wirtschaftliches Scheitern verschwindet; schlimmstenfalls schlägt ein Mitbewerber zu und kauft Dienst samt Kunden aus der Konkursmasse, damit besteht der Dienst zumindest noch ein paar Jahre weiter.

Erfahrungsbericht: In meiner Anwendung cloudbasierter PMS haben sich weder die genannten Nachteile stark ausgewirkt, noch sind Risikoszenarien eingetreten. Mein Fokus lag dabei auf individuell gestalteten Preisstrategien gepaart mit klarer Struktur und weitgehenden Automatisierungen um diese nicht zu Belastungen des operativen Alltags zu machen – also maximale Anforderungen an die Granulation und Komplexität der vernetzten Systeme. Besonders die fehlende Individualisierung durch Sonderprogrammierung ging mir letztendlich nicht ab, da sich praktisch immer das gewünschte Ergebnis mit etwas Kreativität und vor allem intensiver Befassung mit den vorhandenen Funktionalitäten herbeiführen lässt. In manchen Fällen ist es einfach sinnvoller seine eigenen Prozesse an die (neue) Systemlandschaft anzupassen; nützt man diese Herausforderung aktiv bietet sich eine tolle Chance sich selbst weiterzuentwickeln.

Welche Lösung bleibt?

Glaubensfragen lassen sich diskutieren, wirtschaftliche Realitäten jedoch nur berücksichtigen. So wie MS Office nicht mehr auf CD-ROM verkauft wird, stellen immer mehr Anbieter den Neuverkauf ihrer „on premise“ PMS ein und bieten Bestandskunden teilweise nurmehr Aufrechterhaltung der bestehenden Funktion. Weitere Entwicklung findet nurmehr für „cloud“ PMS statt, wobei Entwicklung auch neue Schnittstellen beispielsweise für neu entwickelte Drittsysteme einschließt. Dafür gibt es technische und monetäre Gründe – in jedem Fall ist es im wirtschaftlichen Interesse der Anbieter, und dieses bestimmt das Angebot.

Lokal installierte, „einmalig gekaufte“ Systeme wird es weiterhin geben, wahrscheinlich werden sie aber zu Nischenprodukten von kleineren Anbietern. Die Auswahl für den Kunden wird dadurch in diesem Bereich stark eingeschränkt, langfristig ist zu vermuten dass die weitaus größeren Innovations- und Weiterentwicklungspotentiale der bedeutenden Anbieter cloudbasierte PMS einfach zur qualitativ besseren Variante machen werden und dass (neue) Drittsysteme auf die Entwicklung von Schnittstellen zu „on premise“ PMS aus Effizienzgründen verzichten werden. Und wer weiß wie das Hotel der Zukunft aussehen wird? Je mehr KI-gestützte Automatisierungslösungen praxistauglich werden, desto stärker dürfte sich die Technik der Gästeinteraktion in Richtung „cloud only“ verschieben.

Apropos, die meisten mit Ihrem PMS verbundenen Systeme sind bereits Cloud-Dienste, auch Ihr Kreditkartengerät funktioniert nicht mehr ohne Zugriff auf einen externen Server.

Früher Imprinter (Ritsch-Ratsch-Gerät) um 1960.

Auch wurden bereits mehrere Anbieter hochwertiger aber weniger weit verbreiteter serverbasierter PMS von großen Anbietern übernommen – wobei gemutmaßt werden darf dass die Übernehmer nicht an der Technik und Patenten interessiert waren.

Individuell entscheiden

Planen Sie einen Wechsel? Analysieren Sie unvoreingenommen alle Alternativen. Nehmen Sie sich die Zeit für eine objektive Beratung. Und falls die beste Alternative in Ihrem individuellen Fall das vorübergehende Weiterbetreiben Ihres bisherigen PMS sein sollte, wenn auch mit eingeschränkter   Wartung vom Anbieter, findet sich oft eine versierte ehemalige Anwenderin* die Ihnen bei der Optimierung der Konfiguration hilft (*Autoren dieses Beitrags explizit mit gemeint).

Egal, für welche technische Lösung Sie sich entscheiden, das zentrale Element bleibt Ihr Team. Systeme können Abläufe vereinfachen, aber die besten Ergebnisse entstehen, wenn engagierte Mitarbeiter diese Technologie mit menschlichem Einfallsreichtum und echter Gastfreundschaft kombinieren. Technik soll Ihre Mitarbeiter dabei unterstützen, sie nicht ersetzen!

Eine der besten Arten, diesen Mitarbeiterinnen Wertschätzung und Dankbarkeit zu zeigen, ist wenn das Unternehmen ihnen ihre tägliche Arbeit mit den optimalen technischen Hilfsmitteln erleichtert.

Profitipp: Verwenden Sie für Ihr Cloud-PMS zusätzlich Tablets und verlagern Sie gewisse Prozesse aktiv zu Ihren Gästen hin, statt passiv hinter der Theke zu warten.