Die Renaissance des Bahnhofsshuttle
Nicht mehr zeitgemäß, nicht mehr gefragt, nicht mehr leistbar. Bahnhofsabholungen werden oft als ein Relikt vergangener Zeiten betrachtet – doch in einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und Individualität den Luxusbegriff neu definieren, könnte sich dieses Konzept als zukunftsweisender herausstellen, als wir denken!
Bahnhofsabholungen – ein Relikt der Vergangenheit oder eine zukunftsweisende Chance für mehr Nachhaltigkeit und Individualität im Luxustourismus? Erfahren Sie, wie innovative Ansätze alte Traditionen neu beleben können.
Bei Transfers denken wir heute vorwiegend an Flughafentransfers. Wenn es sich nicht um ein Flughafenhotel mit eigenem oder gemeinsam betriebenen Busshuttle handelt, werden diese meist von externen Limousinenservices abgewickelt, und selbst diese machen ihr Geschäft immer weniger mit der Hotellerie. Der moderne Reisende bucht sich entweder einen Mietwagen zu unglaublich günstigen Preisen, nützt die komfortablen Massenzubringer, oder ruft beim Durchschreiten des Gate per App schnell ein „Uber“. Alles flexibel und billig. Die Limousine vom Hotel ist längst zum Nischenprodukt für die letzten Luxusreisenden (oder Spesenritter) geworden.
Fragt ein Gast tatsächlich nach einem Transfer vom Bahnhof, versteht der heutige Wiener Rezeptionist zuerst genau das – Bahnhof. Der Taxistandplatz ist doch direkt davor! Etwas anders ist es in weniger urbanen touristischen Destinationen, aber auch hier ruft „Abholung vom Bahnhof“ ein eher nostalgisches Bild hervor. Ja früher, als man noch den Knecht mit dem Fuhrwerk schicken konnte! Auch noch vor ein paar Jahrzehnten, als der Gast noch bereit war ordentliche Zimmerpreise zu bezahlen, der Mitarbeiter mit einem bescheidenen Lohn zufrieden, und der Treibstoff leistbar, konnten viele Urlaubshotels Wagen und Fahrer unterhalten. In meiner allerersten Festanstellung gab es zumindest noch den betriebseigenen Kleinbus, standesgemäß mit dem Wappen des Hauses geziert – wenn auch vom Hausmeister im seltenen Bedarfsfall zum nächstgelegenen Bahnhof gefahren, statt von einem hauptberuflichen Chauffeur.
Effizienz prüfen
Wenn 80% der Ankünfte in klassischen, ländlichen Urlaubsdestinationen mit dem eigenen Fahrzeug erfolgen, ist das Ergebnis einer Kosten-Nutzen-Rechnung klar, noch bevor man Personalkosten, Anschaffung und Betrieb des Fahrzeugs genau kalkuliert hat. Doch gilt das auch auf längere Sicht?
Wer mich kennt weiß, dass ich jeden Euro prüfe und kaum eine Ausgabe ohne positive ROI Berechnung befürworte – in diesem Fall jedoch lade ich Sie ein, mit mir über immateriellen und gesellschaftlichen Zusatznutzen nachzudenken. Liegt die Effizienz eines Transferangebots eventuell darin, das eigenen Angebot über Individualität, Zielgruppenorientierung und Nachhaltigkeitsversprechen durchzusetzen und damit letztlich profitabler zu machen? Ich denke, in Kombination mit zielgerichtetem Upselling könnten Sie durch ein integriertes Transferangebot Ihr Ratenniveau deutlich steigern, da der wahrgenommene Wert für den Gast erheblich steigt.
Schon lange folge ich übrigens Marco Riederer, vor allem wenn er seine Erkenntnisse aus der Recherchearbeit des eigenen Teams für Trendforschung präsentiert. Sie kennen sicher die letzten Prodinger Trendreports über „Best Ager“ und die „Gen Z“ (wenn nicht, sehen Sie hier). Falls Sie danach die Podcast-Folge „Ruft der Berg wirklich noch?“ gehört haben die wieder einmal die Frage aufwirft, wie denn ein Gast ohne Lenkerberechtigung die schönen Alpen-Retreats erreichen soll, geht es Ihnen wahrscheinlich wie mir: Ich rechne bereits Leasingmodelle und studiere den KV für Privatchauffeure!
Zwänge hinterfragen
Auch wenn es den meisten nicht sofort geläufig ist, die individuelle Bahnanreise mit Transfer gibt es noch. Beworben wird sie allerdings nicht besonders offensiv, man muss gezielt suchen und das Hotel seiner Wahl spezifisch danach fragen. Am ehesten findet man sie – ganz klassisch – im Reisebüro seines Vertrauens, das Angebote traditioneller Paketer und ausgewählter Nischen-Reiseveranstalter vertreibt.
Bei beworbenen „Hotel + Bahn“ Angeboten wie sie die Reiseveranstalter-Töchter der Bahngesellschaften haben, handelt es sich meist um Nächtigung und Zugfahrt, wobei das Ticket für den öffentlichen Nahverkehr vor Ort eher als zubuchbares Extra optional angeboten wird statt eine Inklusivleistung zu bilden. Für den nachhaltigkeitsbewussten Autoverzichter mit dem leichten Gepäck passend, stellt mehrmaliges Umsteigen allerdings kein besonders komfortables Reisepaket für physisch eingeschränkte Gäste oder Familien mit Kleinkindern dar und bedient daher zwei speziell kaufkräftige Zielgruppen nur bedingt.
Auf lokale Gästeshuttles oder Kooperationen mit ansässigen Taxiunternehmen setzen manche Tourismusverbände, aufgrund mangelnder Flexibilität oder Kapazität sowie fehlender tiefer Integration in das individuelle Erlebnispaket erreichen diese Varianten auch nicht die Qualität, die anno dazumal eine Hotellimousine geboten hat. Die Touristeninformation der Österreich Werbung listet letztlich nur drei Destinationen, die einen dezidierten Bahnhofsshuttle bieten (und diese Information findet man erst im unteren Teil der Seite). Eine davon „garantiert“ beim lokalen Kooperationspartner eine „maximale Wartezeit bis zur Abholung am Bahnhof von 60 Minuten“ und weist auf „Stopps und Umwege“ hin, eine andere lagert den Service mittlerweile an die ÖBB aus wo man ihn als zubuchbare Leistung zur Fahrkarte am unteren Rand der Seite findet. Allen gemeinsam ist dass der Preis dem eines normalen örtlichen Taxis entspricht und damit vom Gast unbewusst als in Relation zur „Sparschiene“ als sehr teuer wahrgenommen werden muss.
Ich habe mich in die Rolle des interessierten Reisenden versetzt und versucht, online ein Urlaubsangebot zu buchen bei dem ich mich um An- und Abreise nicht kümmern muss. Wie so oft wurde mein KI Assistent zwar glaublich fündig, aber nur bei Marketinginhalten statt konkreten Leistungsangeboten. Manuell war ich nicht erfolgreicher, der beste Treffer war eine Seite die Unterkünfte listet die „maximal 850 m“ von Bahnhof oder Bushaltestelle entfernt liegen. Ich habe dabei allerdings eine weitere Destination gefunden die einen gemeinsamen, regionalen Bahnhofsshuttle anbietet und von der Österreich Werbung nicht bzw. nur über den Umweg eines gelinkten Suchportals gelistet war – oh du mein föderales Österreich!
Die fehlende Integration von Abholservices könnte langfristig ein unterschätzter Wettbewerbsnachteil sein, insbesondere wenn Hotels bei Nachhaltigkeit und Serviceorientierung hinter den sich verändernden Erwartungen der Gäste zurückbleiben. Die mangelnde Sichtbarkeit wiederum zeigt, dass traditionelle Reiseangebote sich weiterentwickeln müssen, um in einer digitalisierten Welt relevant zu bleiben.
Vorteile nützen
Denken Sie mit mir ein Urlaubserlebnis, das an der eigenen Schwelle beginnt. Was ist individueller, als wenn einen die gewählte Unterkunft zuhause abholt? Was ist erholsamer, als wenn man den Reisestress zusammen mit seinem Koffer maximal bis ins eigene Vorzimmer tragen muss und hier im wahrsten Sinnes Wortes „abgeben“ kann? Was ist nachhaltiger, als es dem Gast zu ermöglichen ganz auf eigene Kraftfahrzeuge zu verzichten? Was ist komfortabler, als sich ohne Gepäck in einem Zugabteil auszustrecken?
Für den kaufkräftigen Gast – sei es der unternehmungslustige Best Ager oder der autofreie Yuppie, die brutpflegende Jungfamilie aus dem Speckgürtel oder die ersten beruflich etablierten „Zetties“ – zählen optimal zugeschnittene Angebote mehr als das günstigste Schnäppchen. Hier lässt sich (unter uns gesagt!) der eine oder andere Euro sogar noch „einfach so“ aufschlagen wenn das Produkt gut ankommt, weil die starken Trends Individualität und Nachhaltigkeit ebenso wie die Erwartungen an Komfort und die oft zitierte „Nahtlosigkeit“ bedient werden.
Und dazu bieten sich unzählige Möglichkeiten, Urlaubserlebnisse einprägsam bis spektakulär zu machen: Das ganz besondere Auto, oder der Pferdeschlitten als Transportmittel? Der Begrüßungssekt am Bahnsteig statt in der Hotellobby? Die dazugebuchte Rundfahrt gleich in die Anreise eingebunden? Nicht nur individuell, auch fotogen für diejenige Social Media Plattform die in 5 Jahren angesagt sein wird. Und damit das vierte Kaufmotiv laut Technokratus bedienend: „Was den Nachbarn neidisch macht“. Nutzen Sie diese Ansätze, um sich von Ihren Mitbewerbern abzuheben und Ihr Hotel als die erste Wahl für individuelle, nachhaltige Erlebnisse zu positionieren – besonders wenn andere Hotels zu spät auf den Zug aufspringen und am Ende als Trittbrettfahrer dastehen.
Weiter denken
Denken Sie mit mir weiter, einfach weil es unserer Touristikerseele gut tut etwas zu träumen. Den Lebensstil der feinen Gesellschaft früherer Zeiten, sei es in den letzten Zügen* der Donaumonarchie, den „Goldenen Zwanzigern“ oder den „Swinging Sixties“, betrachten wir als den Inbegriff des kultivierten Luxuslebens. Was ließe sich besser als Urlaubserlebnis verkaufen? Urlaub „in Schwarz-Weiß“ als Themenurlaub, konsequent und detailverliebt durchgestaltet? Natürlich sind solche Inszenierungen kostspielig, aber selbst kleinere Elemente können bereits einen starken Eindruck hinterlassen: Wann hat Ihr Gast zuletzt eine echte Postkarte an Familie und Freunde (und neidische Bürokollegen) verschickt? Eine Photobox mit ein paar Fedoras kann schon einmal einen kleinen Teil der Illusion kreieren.
War das „Bahnhofshotel“ einst die erste Adresse am Ort, hat der Begriff heute negativen Beigeschmack – billig, austauschbar, oft Problemzone. Vor dem Hintergrund der Trends im Reiseverhalten sowie der Entwicklung der „Bahnhofsviertel“ durch Neugestaltung der Bahnhöfe selbst und durch hochwertige angrenzende Bauprojekte könnte der Bahnhof bald wieder eine „A-Lage“ für Hotelimmobilien sein. Statt mit der Limousine erreicht der umweltbewusste Reisende der kommenden Dekaden sein Zimmer über einen Expresslift vom Bahnsteig aus – und ist über sein in der Wallet gespeichertes Zugticket bereits automatisch eingecheckt worden, als der Zug in den Bahnhof eingefahren ist.
Individuell entscheiden
Visionäre wie der steirische Hotelier Florian Weitzer haben mit dem Semmering ein Juwel der vorigen Jahrhundertwende entdeckt und setzen darauf, dass die Kombination aus exklusiver Dienstleistung, ruhebringendem Naturerlebnis und Nähe zu den urbanen Ballungszentren genau den Puls der kommenden Zeit treffen wird. Mit dem Südbahnhotel der kunstfördernden Christian Zeller Privatstiftung und dem Grand Semmering (ehemals Kurhaus Semmering) der Florian Weitzer Hotels & Restaurants kündigt sich das Erwachen zwei der drei großen Häuser einer vergangenen Epoche aus hundertjährigem Schlaf an. Für beide wird die Anreise mit der Semmeringbahn „de rigeur“ sein. Aber auch sonst ist unser Land voll „bahnaler“ Kleinodien, wie dem k.u.k. Caféwaggon, die einzigartige Bausteine eines individuellen Urlaubserlebnis sein können.
Was zu Florian Weitzer passt, dessen Hotels schon am neuen Hauptbahnhof Wien und am neugestalteten Hauptbahnhof Graz vertreten sind, muss nicht zu Ihrem Hotel passen. Auch wenn Sie meine Begeisterung teilen ist der erste Schritt eine – zugegeben sehr nüchterne – Bestandsaufnahme. Außer der Lage des Hauses und der Entfernung zu öffentlichen Verkehrsmitteln stellt sich die Frage nach Zielgruppen und zielgruppengerechten Leistungen, nach vorhandener eigener und gemeinschaftlich genutzter Infrastruktur, nach möglichen Partnerschaften mit anderen Hoteliers, dem lokalen und regionalen Tourismusverband, örtlichen Dienstleistern und Erlebnisanbietern, sowie Vertriebspartnern und Paketreiseveranstaltern. Dann gilt es den Blick in die Glaskugel durch Datenerhebung und Analyse klarer werden zu lassen, um abzuschätzen wie sich der Mix genau Ihrer spezifischen Zielgruppen und derer Bedürfnisse mittel- und langfristig ändern wird. Hier empfiehlt sich die Bündelung von Ressourcen, denn diese Maßnahmen können sich für einen einzelnen Betrieb oft kaum auf absehbare Zeit rechnen nachdem gute Beratung gutes Geld kostet, aber hier keinesfalls unterbleiben darf. Erst dann kann es an die Planung der zukünftigen Strategie gehen, die die Richtung vorgibt für jede konkrete Investitionsmaßnahme, bestenfalls wiederum begleitet vom österreichischen Hotelberater Ihres Vertrauens.
Bewusst umsetzen
Morgen schon einen ganzen Fuhrpark mit Rolls Royce nebst goldbetresster Uniformen anzuschaffen wäre sicher etwas über das Ziel hinausgeschossen (wenn es auch das Herz der Automobilliebhaber höher schlagen ließe!). Wichtig ist es, sich jetzt bereits klar zu positionieren. Wer die Vorreiterrolle einnehmen kann wird am meisten profitieren können – und dafür reicht eine geförderte, günstig zu betreibende und sachbezugsfrei auch privat nutzbare elektrische Limousine. Selbstverständlich im Corporate Design, nicht nur wegen der Qualitätsanmutung für den beförderten Gast, sondern auch als kostenlose Werbung direkt vor dem Bahnhofsportal. Abgesehen davon weckt diese im Gegensatz zum Rolls weder Ihre schlafenden Gäste noch unsere Wildtiere.
Profitipp: Erlaubter geringfügiger Nebenerwerb, wie beispielsweise die gelegentliche Personenbeförderung, kann eine interessante Ergänzung der ASVG Pension Ihrer verdienten ehemaligen Mitarbeiter sein.
* #punintended