Die Sintflut: Das bringen wir auch noch hinter uns!
Fühlen Sie sich von Daten eher getrieben als gestützt? Als würden Sie unter einer cloud stehen? Reiten Sie auf der Welle, oder vielleicht doch ein totes Pferd?
Digitalisierung und Nachhaltigkeit: Sind sie Herausforderungen oder Chancen? Dieser Artikel zeigt, wie Hoteliers zukunftsfähige Strategien entwickeln können – bevor sie von der Flut überrascht werden.
Ich habe nach dem langen und leisen Sommer wieder viele inspirierende Veranstaltungen besuchen können, online wie offline. Naturgemäß vorwiegend zu Themen rund um die „twin transition“, also Digitalisierung und Nachhaltigkeit, und deren Bedeutung für Hotellerie und Tourismus. Während ich tolle Impulse bekommen und interessante Gespräche führen durfte, habe ich etwas selten angetroffen: Hoteliers.
Gestern hielt der Generalsekretär einer bedeutenden Interessenvertretung einen sehr nüchternen Vortrag über die Herausforderungen denen sich die Hotellerie gegenüber sieht und deren Erwartungen. Nüchtern, da er Mitgliederstimmen präsentierte (die heutige Veröffentlichung ist hier zum download), und die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen thematisierte. Auch wenn es irgendwie nach einem Weckruf klang, waren die Themen doch altvertraut – kurzfristigere Buchungen, höhere Preissensibilität, kürzere Aufenthalte… Hören wir diese und ähnliche Schlagworte nicht gefühlt seit schon 10 Jahren? Kann es dann sein dass viele sie trotzdem noch immer nicht gehört haben?
Im Publikum fanden sich zwar ein paar Vertreterinnen der ganz jungen Generation, die erst allmählich in Führungsrollen hineinwachsen und deren unternehmensstrategische Verantwortungen vorwiegend im Bereich Marketing liegen. Jedoch kaum eine betriebsführende Eigentümerin, in einem Land das so geprägt von eigentümergeführten Betrieben ist. Draußen „in der Provinz“ hochkarätige Speaker auf einer Veranstaltung für die regionalen Touristiker zu haben sollte eigentlich für einen Saal voller interessierter Geschäftsführer sorgen – doch es ist als würden viele hoffen, ihre toten Pferde noch irgendwie in den Ruhestand reiten zu können. Nicht nur da, auch auf vielen der anderen Veranstaltungen sah man wenige die tatsächlich mit Beherbergung oder Bewirtung ihr Geld verdienen. Sind sie alle an ihre Rezeption oder Theke gefesselt? Oder ist der neue Trend „Hinter mir die… Nachfolge“?
Effizienz prüfen
Österreich und sein Tourismus leben gut von dem, was heimische Hoteliers über Jahrzehnte aufgebaut haben. Der Höhepunkt des Erfolgs ist es hierzulande leider manchmal, auf eben diesem hohen Niveau jammern zu können. Über das Problem mit der Preisdurchsetzung zum Beispiel. Statt kontinuierlich zu prüfen ob ein Konzept wettbewerbsfähig und effizient ist. Ich wette mit Ihnen, einige der Beitragenden zu oben erwähnter Umfrage hatten die Daten, aufgrund derer sie ihre Antworten gegeben haben, nicht schnell zur Hand. Nicht undenkbar, dass der eine oder die andere den „Gewinn“ nicht ihrer G&V, sondern der Kassa entnommen haben. Im wahrsten Sinn des Wortes.
Bevor auch ich noch zu lamentieren beginne: Ich meine, wir stehen am Beginn einer wundervollen Entwicklung. Wir haben – Dank des soliden Fundaments, dass unsere Gastgeber geschaffen haben – die Möglichkeit, an einer grandiosen und unvorstellbaren Zukunft teilzuhaben. Effizient im dem Sinn, dass zielgerichtet individuelle Bedürfnisse (man kann auch „Nachfrage“ dazu sagen) bedient werden, dass mit weniger Aufwand ein Mehr an Kommunikation (nennen Sie es gerne „Gästebetreuung“) möglich ist, dass wir die leistbaren Werkzeuge haben um Nachhaltigkeit (Betriebswirte kennen sie als „positive Fortbestehensprognose“) zu schaffen. Wir können neue Methoden umsetzen um unsere Unternehmen effizienter zu machen, was einen Gewinn für den Unternehmer und die Gesellschaft bedeutet.
Zwänge hinterfragen
Der gelernte Österreicher läuft natürlich Gefahr, Maßnahmen für Nachhaltigkeit und Digitalisierung unbewusst als zwanghaft zu empfinden. Vor allem, wenn diese eingefordert werden – von den Gästen wie von Institutionen und Gesetzgebung. Stichworte wie „Gen Z“, „DSGVO“ oder „ESG“ lösen bei Manchem sogar einen zwanghaften Reflex aus – das Jammern. Auch Förderungen werden immer mehr an Zielerreichungen in diesen Bereichen gekoppelt, was den subjektiven Eindruck des „Oktroyieren von oben“ verstärken kann.
Ebenso mag es nahe liegen, dies alles „zuständigkeitshalber“ der nachfolgenden Generation zu übergeben. Schließlich ist diese zumindest mit den Anfängen der Digitalisierung aufgewachsen, und Hauptnutznießer des sorgsamen Umgangs mit unserer Welt. Auch vom Alter her muss sich die Wirtstochter dieser irgendwie schlecht greifbaren Generation der ab den späten 90ern Geborenen näher fühlen, räsoniert man. Und bietet das nicht den idealen Bereich für den Gasthausbuben, sich an ersten eigenen Projekten zu beweisen? Saubere Arbeitsteilung, ein Gewinn für alle, ließe sich argumentieren.
Zur „twin transition“ einfach „nicht hinzugehen“ kann aber nur ein Zurückbleiben bedeuten. Und Zurückstehen ist nicht die Art erfolgreicher Geschäftsleute: nicht hinter dem internationalen Mitbewerb, nicht hinter den Erwartungen an die einzigartige österreichische Gastfreundschaft, und nicht hinter dem eigenen Qualitätsanspruch.
Und Zurückbleiben geht heute schneller denn je. Hat es noch über 70 Jahre gedauert bis die technische Innovation namens „Telefon“ weltweit von 100 Millionen Anwendern genutzt wurde, waren es bei dem von Bill Gates anfangs belächelten Phänomen „Internet“ nur noch 7 Jahre. Der erste öffentlich verfügbare KI-Assistent „ChatGPT“ konnte die 100-Mio-Marke innerhalb von 2 Monaten erreichen. Und das Muster setzt sich fort:
Vorteile nützen
Die kurzfristigen monetären Vorteile von Nachhaltigkeitsmaßnahmen liegen noch nicht klar auf der Hand und werden auf absehbare Zeit auch keine kritische Signifikanz bekommen. Wäre dies bereits gesellschaftliche Realität, würden jede Menge interessanter urbaner Immobilien auf den Markt kommen statt von goldenen Bögen geziert werden. Bauernmärkte und Hofläden würden die Stadtränder mit leerstehenden Diskonterparkplätzen veröden lassen. Das sagt uns aber keineswegs dass der Weg der Nachhaltigkeit falsch ist, sondern nur dass wir diesen Weg jetzt noch rechtzeitig beschreiten können. Als bekannter Sparmeister belege ich Ihnen gerne, dass Investitionen in Nachhaltigkeit sich nicht morgen schon über höhere Preisniveaus amortisieren – aber auch die Aktie von Nvidia (NVDA; bedeutendster Chiphersteller) war noch bis letzten Mai (!) für unter 30 Dollar zu haben.
In der Digitalisierung ist die Monetarisierung auf Umsatz- wie auf Kostenseite direkter und näher. Während digitale Werkzeuge wie ein modernes cloudbasiertes PMS helfen unsere Angebote zu verbessern, aktiver zu verkaufen, und den optimalen Preis zu erzielen, sparen sie Arbeits- und Energiekosten oder ermöglichen es uns erst einen qualitativen Betrieb aufrecht zu erhalten. Und sie ersetzt keineswegs die menschliche Komponente – sie bietet dieser im Gegenteil einen neuen Mehrwert. Robert Seeger legt in seinem eindrucksvollen Vortrag klar und deutlich (und in eigener Person!) dar dass menschliche und künstliche Intelligenz jede für sich eine Bühne haben auf der sie glänzen, und das Optimum durch den Einsatz beider erreicht wird. Wenn Sie die Möglichkeit haben diesen Vortrag live zu sehen möchte ich Ihnen dringend ans Herz legen sie zu nützen! Der Einsatz digitaler Techniken und künstlicher Intelligenz unterstreicht den Wert der menschlichen Leistung, sagt er, und inspiriert dazu uns noch selbstbewusster auf digitalen Wegen zu vermarkten. Ich darf auch auf meinen eigenen Beitrag hinweisen der sich eingehender damit beschäftigt, wie mächtig digitale Werkzeuge in der Hand kreativ und strategisch denkender Unternehmer sind (hier nachzulesen).
Die Zeit nicht zu investieren sich damit grundlegend auseinanderzusetzen, halte ich für das größte betriebliche Risiko an der Digitalisierung, denn die zukünftige Strategie für die Nutzung dieser Vorteile ist Sache der Unternehmer höchstpersönlich. Niemand zwingt den Unternehmer, auch selbst in die Umsetzung zu gehen, denn dank der Dynamiken in Wirtschaft und Arbeitsmarkt stehen vielfältige Wege offen: je nach individuellem Bedarf kann eine geringfügig beschäftigte Kraft, ein Selbständiger aus der Region, oder eine Agentur mit umfangreichen Ressourcen dem Unternehmer in der Planung zur Seite stehen und die Umsetzung nach dessen Vorgaben übernehmen. Nur gänzlich abnehmen kann es niemand, denn ohne die einzigartige Persönlichkeit und individuellen Ziele der Eigentümer im Zentrum würde jeder Betrieb zum Franchise-Klon.
Weiter denken
Nicht jeder eigentümergeführte Betrieb hat eine übernahmebereite junge Generation. Gibt es zumindest potentiell eine, können unternehmerische Nachhaltigkeitsstrategie und innovative Digitalisierungsprojekte als kleinste gemeinsame Nenner dienen, wenn noch kein Interesse an einer betrieblichen Mitarbeit besteht. Auch hier eröffnen sich Möglichkeiten, denn wo sich Felder für sinnvolle Beteiligung früher auf Bier zapfen und Gepäck tragen am Wochenende beschränkt haben, bieten sich jetzt kreative Aufgaben an die – im Fall kleiner und mittlerer Betriebe – keine Vollzeitbeschäftigung erfordern. Diese Form der betrieblichen Mitarbeit fördert nicht nur das praxisbezogene Erwerben und Verfeinern neuer Fähigkeiten wie im Bereich Social Media Marketing, sondern lässt sich auch in die schulische oder universitäre Ausbildung integrieren, speziell im Bereich von Nachhaltigkeitsprojekten.
Wo die Nachfolgenden den Familienbetrieb bereits im Herzen tragen – und die Bierschweren Tableaus in Händen – liegen hier wie erwähnt erste Möglichkeiten zur Übernahme unternehmerischer Funktionen die Selbstwert und Wertschätzung fördern, abgesehen von der unschätzbaren Erfahrung erster alleiniger Projektverantwortung.
Ist keine Nachfolge geplant, sagt der Geschäftssinn dass ein gut positioniertes Produkt im authentischen Sinn des Gründers höhere Preise im Fall des Verkaufs erzielen kann, oder ein attraktiveres Pachtobjekt darstellen als verstaubte, vom Nachbarn nur anhand der Hausnummer zu unterscheidende Sanierungsfälle. Alleine eine fast schon „traditionelle“ Investition wie in Gebäudeautomatisierung – beispielsweise vom niederösterreichischen Anbieter Loxone, der als „Schauraum“ ganz einfach ein eigenes Hotel betreibt – erhöht den zukünftigen subjektiven Käufernutzen Ihrer Immobilie vielleicht mehr als den heutigen Investitionsbetrag.
Individuell entscheiden
Welche Pläne Sie auch für den Betrieb haben, diese Entwicklungen sind tatsächlich „nachhaltige“ Trends. Wie Sie sie für sich nützen können ist eine höchst individuelle Entscheidung. Überlegen Sie sich genau, welche digitalen oder nachhaltigen Maßnahmen zu Ihrem Hotel passen, basierend auf Ihrer Zielgruppe und Ihren eigenen Ressourcen. Denken Sie langfristig: Welche Veränderungen schaffen für Sie und Ihre Nachfolger, Ihre Mitarbeiter und Ihre Gäste den größten Mehrwert?
Wenn Sie nicht wissen wo Sie beginnen können, nutzen Sie ab Jänner die geförderte Digitalisierungsberatung im Rahmen von KMU.DIGITAL. Diese beginnt mit einer fundierten Basisanalyse, die aufzeigt welche Potentiale am sinnvollsten genutzt werden können.
Bewusst umsetzen
Setzen Sie Maßnahmen in kleinen Schritten und mit klaren Zielen um. Jede Investition, ob groß oder klein, sollte einem konkreten, messbaren Ergebnis dienen. Mit Mut zur Veränderung und positiver Zusammenarbeit in unseren Regionen können wir gemeinsam den Tourismus von morgen prägen—einen Tourismus, der sowohl Gäste als auch Hoteliers begeistert.
Profitipp: Nutzen Sie die Fülle an günstigen und kostenlosen Schulungsangeboten jetzt, bevor diese mangels Relevanz eingestellt werden! Wissen Sie nicht wo Sie anfangen sollen, sprechen Sie mit Ihrer Interessenvertretung oder dem Berater Ihres Vertrauens.